Funktionelle Medizin: Definition, Hintergrundgedanke und therapeutische Umsetzung
Die funktionelle Medizin (engl. Functional Medicine) ist ein Konzept, bei dem nach der Ursache von Beschwerden und Erkrankungen gesucht und der Körper dabei als ganzheitliches System betrachtet wird.
Anders als bei der Schulmedizin werden in der funktionellen Medizin somit nicht (nur) die einzelnen Symptome therapiert. Stattdessen gibt es eine umfassende Diagnostik, die sowohl psychische als auch physische Kriterien umfasst. Dabei versucht man, die anfänglichen Ursachen für Erkrankungen zu ermitteln und zu therapieren.
Sobald die Kernursache gefunden ist, können gesundheitliche Probleme sozusagen an der Wurzel gepackt werden. Nachdem die Ursache von Erkrankungen behoben ist, verschwinden in der Regel die einzelnen Symptome. In diesem Beitrag erklären wir Ihnen den Ansatz der funktionellen Medizin und seine Umsetzung.
Was ist funktionelle Medizin?
Funktionelle Medizin ist ein ganzheitlicher Ansatz zur Behandlung von Erkrankungen und gesundheitlichen Beschwerden. Statt der Therapie von einzelnen Symptomen ist es das Ziel, die Kernursache einer Erkrankung zu finden.
Durch die Behandlung der Ursache kann die Krankheit bzw. Beschwerde an ihrer Wurzel beseitigt werden, wodurch üblicherweise alle einzelnen Symptome verschwinden. Weil in der funktionellen Medizin statt der Symptome die Ursachen behandelt werden, eignet sich dieser medizinische Ansatz auch zur Prävention von gesundheitlichen Problemen.
An dieser Stelle kommen zwei wichtige Fragen auf: Wieso werden derzeit in der Schulmedizin nicht die Ursachen behandelt? Und wie wird bei der funktionellen Medizin die ganzheitliche Behandlung von Erkrankungen umgesetzt?
Schulmedizin wird Ansprüchen des 21. Jahrhunderts nicht gerecht
Auch wenn die medizinischen Standards in Deutschland hoch sind, wird bei der Behandlung von Patienten das Optimum längst nicht ausgeschöpft. Schnelllebigkeit und eine Profitorientierung einzelner Ärzte sind dabei die hauptsächlichen Probleme, die es erschweren, Patienten ganzheitlich zu behandeln.
Als Folge des wirtschaftlichen Fortschritts hat sich in Industriestaaten wie Deutschland im Laufe der vergangenen Jahrzehnte in der Breite der Bevölkerung zunehmend ein schnelllebiger Lebensstil etabliert. Dadurch ist die Menge der psychosomatischen Erkrankungen und Beschwerden angestiegen. Psychosomatische Probleme lassen sich aufgrund ihrer oft komplexen Ursachen nicht jedoch schnell und einfach behandeln.
Eigentlich müssten sich viel mehr Zeit für den Patienten als Menschen nehmen: mit ihm reden und möglichst viele Aspekte zur Diagnostik in Erfahrung bringen – vom sozialen Umfeld über die Ernährung bis zu den Erkenntnissen aus den schulmedizinischen Untersuchungen.
Den Fokus auf den Menschen zu richten und sich für ihn Zeit zu nehmen, ist aufgrund der begrenzten zeitlichen Verfügbarkeit von Fachpersonal jedoch schwierig. Zudem kommt es einigen „Spezialisten” leider immer noch mehr auf den Profit als auf das Wohlbefinden und die Gesundheit der Patienten an.
Des Weiteren hat die mächtige Pharma-Industrie mit vielen Ärzten hochdotierte Verträge abgeschlossen. Dadurch ist die Verschreibung von Medikamenten nach einer kurzen Untersuchung und einem ebenso knappen Gespräch mit dem Patienten für Ärzte lukrativer als die Suche nach der anfänglichen Ursache einer Erkrankung oder Beschwerde.
Funktionelle Medizin mit patientenorientiertem Ansatz zur Diagnose und Therapie
Bei der funktionellen Medizin nehmen sich die Therapeuten Zeit für ihre Patienten. Sie betrachten dabei jeden Patienten als Individuum. Sein Körper ist zahlreichen Einflüssen von außen ausgesetzt, die allesamt in die Diagnostik und die Therapie einbezogen werden müssen.
Bei alldem ist die Berücksichtigung von Wechselwirkungen in der funktionellen Medizin ein besonderer Vorteil. Wie entstehen einzelne Beschwerden oder Erkrankungen, und wie beeinflussen sich die Ursachen gegenseitig?
Alles in allem wird der Körper eines Menschen stets als ganzes System betrachtet und bis ins Detail analysiert.
Als Ergebnis dieser detaillierten Analyse steht idealerweise eine klare Diagnose, die im Gegensatz zur Schulmedizin keine eindeutig abgrenzbaren Ursachen für Erkrankungen nennt. Stattdessen ist die Diagnose differenziert und komplett individuell auf den Patienten zugeschnitten. Durch die im Anschluss gewählten Therapiemethoden sollen die Selbstheilungskräfte im System „Mensch“ angeregt werden.
Dies sind die Besonderheiten der funktionellen Medizin im Vergleich zur Schulmedizin:
- Berücksichtigung von Wechselwirkungen
- Ganzheitliche Betrachtung von Umwelteinflüssen, medizinischer Vorgeschichte, Lebensbedingungen, Ernährung und weiteren Faktoren
- Enge Gespräche und Zusammenarbeit mit Patienten
- Bereitschaft zu hohem Zeitaufwand bei der Begleitung von Patienten
Beispiel für die Anwendung der funktionellen Medizin und den Gegensatz zur Schulmedizin
Als Beispiel dient an dieser Stelle ein Patient mit psychosomatischen Beschwerden, der über Atemprobleme, Herzrhythmusstörungen und Schlafprobleme klagt. Ein Arzt aus der Schulmedizin findet keine Ursache für die Atemprobleme, stellt die Herzrhythmusstörungen aber in einem EKG fest. Also verschreibt er Medikamente gegen die Herzprobleme (Betablocker) und Medikamente für besseren Schlaf. Dies ist ein Negativbeispiel für die lose Behandlung von Symptomen mithilfe von Medikamenten.
Zwar trägt sie zur Minderung der bisherigen Symptomatik bei, doch dafür treten andere gesundheitliche Probleme beim Patienten auf, da die eigentliche Ursache seiner Krankheiten nicht gefunden und behandelt wurde.
Um demselben Patienten kümmert sich nun ein Therapeut, der dem Ansatz der funktionellen Medizin folgt. Er nimmt sich Zeit für den Patienten und lässt sich voll auf ihn ein. Nach einer gründlichen Anamnese holt er Informationen zu Lebensstil, sozialem Umfeld, Ernährung und weiteren Faktoren ein. All dies sind Aspekte, die für die Gesundheit maßgeblich sind und sich ständig gegenseitig beeinflussen.
Der Therapeut nutzt zur Zusammenarbeit mit dem Patienten mehrere Sitzungen in der bequem eingerichteten Praxis in einem angenehmen Umfeld. Dabei bringt er durch Untersuchungen und Gespräche in Erfahrung, wie das System „Mensch“ funktioniert. Im Zuge dessen stellt sich heraus, dass der Patient einem großen Stresspegel ausgesetzt ist. Der Stress wirkt sich nachteilig auf die Atmung aus, lässt Extrasystolen und dadurch Herzrhythmusstörungen entstehen und raubt dem Patienten den Schlaf.
Gemeinsam mit und für den Patienten entwickelt der Therapeut eine Methode zur Therapie, die eine Anpassung des Lebensstils vorsieht. So gelingt es dem Therapeuten, dem Patienten in seiner individuellen Situation zu helfen.
Anwendungsbereiche für funktionelle Medizin gegen chronische Krankheiten
Durch ihre Besonderheiten erweist sich die funktionelle Medizin allem voran in der Therapie und Prävention von chronischen Krankheiten als hilfreich. Genau an diesem Punkt versagt die Schulmedizin wiederum, denn es gelingt ihr nicht, die bei chronischen Krankheiten langsame Entwicklung von Symptomen festzustellen und die vielen Wechselwirkungen korrekt im Zusammenhang miteinander zu betrachten. Durch funktionelle Medizin werden Körper und Geist als Verbund betrachtet, was schon im Anfangsstadium der Beschwerden zu einer frühzeitigen Diagnose und Einleitung von hilfreichen Maßnahmen beiträgt.
Ebenso verhält es sich bei psychosomatischen Krankheiten, die sich durch eine langsame Herausbildung von Symptomen und zahlreiche Wechselwirkungen auszeichnen. Auch dabei bietet die funktionelle Medizin die besten Aussichten auf erfolgreiche Therapien und eine gelungene Prävention von Krankheiten.
Fazit und Ausblick: Funktionelle Medizin kann evolutionäre Rolle spielen
Die funktionelle Medizin gewinnt – ebenso wie einige andere moderne Therapieansätze (z. B. integrative Medizin) – durch den systemischen Fokus in der Diagnostik und der Behandlung zunehmend an Bedeutung. Es deckt sich auch mit den Ansprüchen der neuen Generationen, den Millenials, dass der Mensch als Individuum betrachtet und behandelt wird.
Zweifellos ist die funktionelle Medizin auf die Ansprüche und die Situation im 21. Jahrhundert bestens zugeschnitten. Auch wenn sie durch ihren ganzheitlichen und zwischenmenschlich beachtlichen Ansatz eine evolutionäre Rolle in der gesamten Medizin spielen kann, ist die Entwicklung in den nächsten Jahren abzuwarten.
Bis die Schulmedizin einen großen Wandel hin zum Ansatz und der Methodik der funktionellen Medizin vollzieht, braucht es Zeit. Glücklicherweise gibt es schon jetzt Therapeuten, die die funktionelle Medizin praktizieren. Sie können bei Bedarf eine solche Praxis aufsuchen und dort einen respektvollen und individuellen Umgang erwarten, bei dem Sie als Mensch ins Zentrum der Diagnose und der Behandlung gestellt werden.